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.Weit hinten ließen sich Mietskasernen erahnen, alte Gründerzeitfassaden, doch es konnte auch smogschmutziger Berliner Himmel sein; die Tiefenschärfe war nicht eben berauschend.Und doch war da noch etwas, das Mannhardt aufmerken ließ.«Was is’n das für’n grüner Fleck da…?»«Wo’n?»«Da – direkt überm Zug.»«Das wird ‘n Fehler im Film sein», vermutete Corzelius.«Oder aufm Papier hier…»«Ich halt das eher für ‘ne Reklame auf der andern Seite von ‘er Hochbahn », sagte Jessica.«Da sollten wir auf alle Fälle drauf achten.» Mannhardt wendete die Vergrößerung immer wieder hin und her.«Fest steht jedenfalls, daß sie deine Tochter in einem Raum gefilmt haben, der direkt an der U-Bahn-Linie 1 gelegen ist… Fast auf gleicher Höhe mit dem Bahnkörper, im ersten Stockwerk wahrscheinlich oder aber Hochparterre.»«Da werden Hunderte von Wohnungen liegen!» fiel Corzelius ein.«Wie willsten da ‘ne Chance haben!?»«Trotzdem müssen wir’s probieren: agieren statt reagieren!»18.Mannhardt sprang am Schlesischen Tor aus der Taxe, die ihn im Eiltempo hergebracht hatte, und lief in den Bahnhof hinein, der ihn mit seinen vielen Backsteinmauern, Erkern und Türmchen, zumal in einer Kurve gelegen, seit Kindheitstagen immer wie eine kleine Festung erschien, Burg Hohenkreuzberg, deutsche Renaissance für eine schnelle Stadt, die ihre schnellen Verbindungen brauchte, 1902 erbaut, kam in einen Rittersaal mit Fahrscheinautomaten, hastete in einer Horde jeansblauer Jugendlicher nach oben, fand bei vielen seinen eigenen Haarschnitt von 1951 wieder, scheußlich: die Hitlerschen Pimpfköpfe auferstanden zu sehen, dachte an die erste und die letzte Klassenfahrt, wie sie die Wehrgänge von Rothenburg hinaufgestürmt waren, hörte das herrisch-böse «Zu-rück-bleiben!» des Bahnsteigbefehlshabers oben, sah die orangegelbe Wagenschlange westwärts gleiten und mußte wieder aufs Straßenniveau hinunter, furchtbar knurrend, denn der nächste Zug, gerade eingelaufen, fuhr vom andern Seitenbahnsteig ab.Früher war es weitergegangen, über Spree und Oberbaumbrücke hinweg, zu den Stationen Osthafen und Warschauer Brücke, nach der Mauer aber hatte hier die Linie 1, der lange grüne Strich, den Äquator Berlins markierend, End- und Wendepunkt.Ruhleben hieß der andere, und da ihr Ausgangspunkt, der SFB am Theodor-Heuss-Platz, genau an dieser Strecke lag, hatten sie beschlossen, sich zu trennen und mit ihrer Suchaktion sowohl am Schlesischen Tor wie auch am Gleisdreieck zu beginnen.Mannhardt ließ sich auf die dunkelgrünen Plastikpolster des bereitgestellten nächsten Zuges fallen und rechnete.Wie lange würden Corzelius und Jessica vom Theodor-Heuss-Platz bis zu ihrem Ausgangspunkt gebraucht haben? Kaiserdamm, Sophie-Charlotte-Platz, Bismarckstraße, Deutsche Oper, Ernst-Reuter-Platz und Zoo – es war sein ganzer Stolz, alle Bahnhöfe der Berliner U- und S-Bahn-Linien fehlerfrei in der richtigen Folge hersagen zu können… Also: Zoo, Wittenberg- und Nollendorfplatz, Kurfürstenstraße und dann Gleisdreieck, ja.Rechnete man etwa 1,5 Minuten pro Station, so war das kaum mehr als eine Viertelstunde; zwanzig Minuten, wenn man den Weg auf den Bahnsteig hinunter, das Lösen der Billetts und das Warten auf den Zug noch hinzurechnete.Ärgerlich das Ganze, daß er sich nicht mehr gewehrt hatte, als er von Corzelius an der Pforte des Senders in die viel zur vorzeitig alarmierte Taxe hineingestoßen war.«Fahr du mal mit der Taxe zum Schlesischen Tor und komm uns von da entgegen!» Hatte er sich doch von diesem ahnungslosen Provinztrottel ins Bockshorn jagen lassen, diesem Autofetischisten! Wäre er mit der U-Bahn hergekommen, hätte er es in dreißig Minuten für 2,30 DM geschafft; die Taxe, aufgehalten von roten Ampeln, Baustellen und Demo-geschockten Polizeifahrzeugen, hatte einunddreißig Minuten gebraucht, dafür aber an die dreiundzwanzig Mark gekostet.So was wurmte ihn.Ruhig, entspann dich doch mal.Ich bin ruhig, fest und frei.Mein Herz schlägt ruhig, kräftig und gleichmäßig.Ich bin ganz ruhig, die Ruhe wird immer tiefer… Autogenes Training, Mitbringsel aus der Klinik in Bad Brammermoor.Von einem geheimen Mechanismus ausgelöst, stiegen Kindheitsbilder in ihm auf.Mit der Hochbahn zu Oma und Opa.Vorn beim Zugbegleiter stehen und auf die Strecke raussehen.Mit Mühe an dessen breitem Körper vorbei.Welch Glück, wenn der dann schon vor Einfahrt in den nächsten Bahnhof zur Tür hinging und das ganze Fenster freigab.Die gruselig-dunkle Röhre des Tunnels.Die silbern aufblitzenden Gleise.Die todbringende Stromschiene daneben.Dann wie ein einsamer Stern am nachtdunklen Himmel, aber mit jedem Atemzug gewaltig wachsend, die Lichter der nächsten Station.Und nur der eine Wunsch: selber einmal solch ein Zugbegleiter werden.Wie der dann auf den Bahnsteig trat, das Ein- und Aussteigen überwachte, sich als letzter in den Türrahmen schwang und rechts über sich ein kleines Knöpfchen drückte, das in der Fahrerkabine nebenan für einen hellen Summton sorgte.Fuhr der Zug nun an, stand das Objekt seiner vollen kindlichen Bewunderung mutig-männlich bis weit in den Tunnel hinein in seiner schmalen Schiebetür, um bei drohendem Unheil sofort zur Notbremse zu greifen.Was allerdings, obwohl von ihm ein jedesmal sehnsüchtigst herbeigewünscht, niemals vorgekommen war.Das größte U-Bahn-Glück aber war es, im letzten Wagen des Zuges auf dem kleinen weinrot bezogenen Klappsitz des Zugbegleiters sitzen zu dürfen und über kleine Ewigkeiten hinweg durch eine Kaleidoskopröhre gezogen zu werden.Hatte er später als Mann Weltraumfilme gesehen, Stanley Kubriks 2001-Odyssee als Beispiel, war er wenig fasziniert gewesen; das alles hatte er live und ganz direkt in der Berliner U-Bahn schon lange erlebt.Mit der Hochbahn war das immer ein wenig anders gewesen, da hatte die Angst davor, in die Tiefe zu stürzen und unten auf dem Straßenpflaster grausam zu zerschellen, die angenehmen Gefühle weitgehend verjagt.Da war es besser gewesen, sich mit dem Teddy im Arm an die Mutter zu drücken und die Augen zu schließen.Der Zug fuhr an, war von modernster Bauart und holperte dennoch schlimmer, vergleichsweise, als der «Adler» von 1835 aufs rechte Richtungsgleis hinüber, katapultierte Mannhardt in die Gegenwart zurück, zur Tür, von der aus stehend die Häuser an der Strecke am besten abzuchecken waren.Auf seiner Seite gab es auf dem ersten halben Kilometer nichts, was des Aufmerkens oder gar -schreckens wert gewesen wäre, fast schläfrig starrte er hinaus, und wenn’s ein Fernsehfilm gewesen wäre, hätte er, Weltmeister im flipping, längst auf einen anderen Kanal hinübergedrückt, dachte lediglich an seinen Onkel Otto, der hier im Klinkersteinmuseum des SO-36-Hauptpostamtes als Technischer Fernmeldehauptsekretär unter Zuhilfenahme seiner sogenannten Störungssucher die Reparatur kaputter Telefone mit Eifer, aber stets auch mit Frust betrieben hatte; schien ein superbürokratischer Haufen gewesen zu sein.Einen armen Teufel namens Andy hatten sie am Schlesischen Tor auch mal gejagt; er in seiner Wahnsinnzeit im Reinkarnations-Zentrum Berlin, als er von Friedrich dem Großen, vermittelt über seinen Ahnen, den Kammerherrn Joachim Ernst v.Mannhardt, gerettet worden war – was heißt gerettet –, zwar den Mordfall klären konnte, aber auch seinen Vorgesetzten fast erschlagen hatte.Mit der Endstation Psychiatrie [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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