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.»Meiner Ansicht nach war er es«, antwortete Orlando ohne längeres Nachdenken.»Und außerdem bin ich der Meinung, dass er seine Frau umgebracht hat, um sie als Mitwisserin loszuwerden.Von wegen Indien! Wie heißt es so schön: Further research is needed.«*Fiel das Wort Oderbruch, kam von Berlinern stets ein ›Ah …‹, denn vieles wurde mit ihm assoziiert: Friedrich der Große hatte begonnen, es trockenzulegen; im Norden, im Bruch hinterm Berge, hatten Ehm Welks Heiden von Kummerow den Erwachsenen den Spiegel vorgehalten; in Bad Freienwalde hatte Walter Rathenau in einem kleinen Schloss seinen Landsitz gehabt – und heute stand am Ortsrand eine Skisprungschanze; über die Kinder von Golzow gab es Dokumentarfilme noch und nöcher; am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Schlacht um die Seelower Höhen Tausende von Toten gefordert; auf der Festung Küstrin hatte der junge Friedrich mit ansehen müssen, wie man seinem Freund Katte den Kopf abschlug; und immer wieder gab es ein Hochwasser, bei dessen Bekämpfung sich junge Politiker hervortun und sich für künftige Ämter empfehlen konnten.Ins Oderbruch hatte es auch Freddie und Gudrun verschlagen.Nach der Pleite des ›à la world-carte‹ hatten sie ihr Erspartes genommen und sich in Kienitz das Restaurant ›Am Deich‹ gekauft.›Kienitz im Oderbruch, dort, wo der Panzer steht‹, hieß es im Internet.Die beiden standen auf dem Deich, rauchten und schauten versonnen auf die Oder hinab, deren Wässer gelassen Richtung Ostsee flossen und auf der sich nur selten Lastschiffe, Ausflugsdampfer oder Sportboote sehen ließen.Seit Polen zu den Schengen-Staaten zählte, tuckerten nicht einmal mehr die Schlachtschiffe der Grenzer vorüber.Die Höhenzüge drüben im Polnischen schienen auf einem anderen Planeten zu liegen.»Was ist tiefer?«, fragte Freddie.»Teller oder Tasse?«»Die Oder!«, rief Gudrun, stolz auf das Geleistete.Die beiden waren im Ort gut aufgenommen worden, kamen doch ihretwegen etliche Touristen aus Berlin nach Kienitz, und außerdem hatte Freddie in der Gaststube ein großes Foto hängen, das ihn in der Kienitzer Straße zeigte.Die lag in Neukölln, und dort war er aufgewachsen.Er konnte also mit Fug und Recht behaupten, ein echter Kienitzer zu sein.»Hast du das gelesen?«, fragte er Gudrun, mittlerweile seine amtliche Ehefrau, sie wie immer neckend.»Du weißt doch, ich kann nur in deinen Augen lesen, sonst nicht.Was ist denn los?«»Los ist, was nicht festgebunden ist.«»Haha.«Freddie wurde ernsthafter.»Es geht um den Wiederschein.«Gudrun erschrak.»Wieso denn das?«»Der Klütz hat sein Geständnis widerrufen, und nun sind sie auf der Suche nach einem anderen Mörder.« Freddie warf seinen Zigarrenstummel auf den Deich.»Ich hab kein gutes Gefühl dabei …«»Warum das?«, fragte Gudrun.»Weil ich schon immer geglaubt habe, dass … Als der Schulz damals zu seinem Porsche gegangen ist, da habe ich gestaunt, dass der so komisch geht.Und frühstücken wollte er auch nicht.Wenn das mal nicht die Angela war – als Schulz verkleidet …«»Und warum hast du der Kripo nichts davon erzählt?«, wollte Gudrun wissen.Freddie musste nicht lange nach einer Antwort suchen.»Weil man die Henne nicht schlachtet, die einem die goldenen Eier legt.«Gudrun war für klare Verhältnisse.»Aber jetzt haben wir doch unsere eigene Henne, auch wenn es keine goldenen Eier sind, die sie legt.«Freddie zog sich auf Kaiser Franz zurück.»Schau’ mer mal.«*Mannhardt saß mit der Gefährtin seines Lebens und seinem Enkel am Abendbrottisch und diskutierte die Lage.»Ich denke, du hasst unseren Finanzsenator?«, warf ihm Heike an den Kopf.»Ja, wie fast die ganze Stadt: wegen seines Sarrazynismus.« Was er meinte, war der stadtbekannte Zynismus des Finanzsenators, Theo Sarrazin (SPD), der einmal von sich gegeben hatte, die Berliner Eltern sollten sich wegen der Erhöhung der Kita-Gebühren nicht so aufregen, schließlich wolle er ihre Kinder nicht ins KZ schicken.»Und dennoch machst du Sarrazin eine große Freude, indem du im Falle Klütz ehrenamtlich das erledigst, wofür eigentlich seine bezahlten Beamten zuständig sind.«»Ich will meine Pension nicht geschenkt bekommen, ich will sie mir verdienen«, sagte Mannhardt.Sein Enkel schüttelte den Kopf.»Die hast du dir während deiner 40 Jahre im öffentlichen Dienst längst verdient.«»Da habe ich ja das Geld geschenkt bekommen, das heißt, ich hätte wegen des Spaßes, den ich bei der Verbrecherjagd hatte, eigentlich jeden Monat etwas in die Staatskasse einzahlen müssen.«Heike ermahnte die beiden Männer, zum Thema zurückzukommen.»Was wollt ihr denn nun weiter unternehmen, um die Frage aller Fragen zu klären: War es Klütz oder war es Wiederschein oder Wiederschein zusammen mit seiner Frau?«Orlando Drewisch lachte.»In jedem besseren Krimi ist es immer einer, an den vorher keiner gedacht hat.«»Das Leben ist kein Krimi, den sich ein Schreiberling am Computer ausgedacht hat«, sagte Mannhardt.»Willst du deinen vergötterten Fontane auch als Schreiberling abtun?«, rief sein Enkel.Heike ignorierte das Geplänkel.»Wie soll es denn nun weitergehen?«Mannhardt sah auf seinen Notizzettel.»Erst einmal wollen wir mit Sandra Schulz reden, vielleicht hat die irgendeine Erleuchtung.Dann mit dem sehr verunehrten Kollegen Schneeganß, ob der nicht offiziell mitspielen will.Auch die Psychologin, die Klütz im Knast betreut hat, könnte uns weiterhelfen, eine gewisse Margrit Minder-Cerkez.Und schließlich wollen wir an die Oder, nach Kyritz, um zwei von Wiederscheins Leuten aus dem ›à la world-carte‹ zu befragen, die sollen dort ein Restaurant aufgemacht haben.«»Opa, du redest etwas wirr«, sagte Orlando.»Kyritz liegt nicht an der Oder, sondern an der Knatter …«»Nein, an der Jäglitz«, korrigierte ihn Mannhardt.»Meinetwegen auch an der Jäglitz, auf keinen Fall aber an der Oder.Was du gemeint hast, war Kienitz.«»Man wird sich ja mal versprechen dürfen.Kienitz ist ein Ortsteil von Letschin – und da hat Fontane einst gelebt und gearbeitet.«»Ja, unterm Birnbaum! Wow!« Orlando riss die Arme hoch.*Sandra Schulz fanden sie in der alten Schulz’schen Villa in Wannsee.Sie war in zweiter Ehe mit einem Architekten verheiratet und zeigte keine große Lust, über die alten Zeiten zu reden.»Wenn Klütz wirklich fast zehn Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen hat, dann …« Mannhardt zielte auf ihr Mitleid ab.»Unschuldig?«, fragte Sandra Schulz.»Wieso unschuldig: Er hat schließlich ein umfassendes Geständnis abgelegt.«»Das tun viele Menschen«, sagte Mannhardt.»Denken Sie nur an den Mord an Martin Luther King.James Earl Ray hat gestanden, es gewesen zu sein, aber lesen Sie mal das Buch von William F.Pepper, dann wissen Sie, dass er es kaum gewesen sein kann.«»Kommen Sie mir nicht mit dem Märchen von der Mafia, die Schulz erledigt hat und Klütz für sein Geständnis mit einigen Millionen belohnen wird, wenn er wieder draußen ist!«, rief Sandra Schulz.»Sie waren mit Klütz eng liiert, Sie müssten doch eine Ahnung davon haben, ob er zu einer solchen Tat überhaupt fähig war, beziehungsweise was ihn dazu getrieben haben könnte, ein falsches Geständnis abzulegen.«Sandra Schulz wich ihm aus.»Das ist alles schon zu lange her, und ich habe mir vorgenommen, alles zu vergessen
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